Franz Straub und die Neu-Arader Schule

Unsere Schule in Neu-Arad

Neu-Arad leidet. Und zwar leiden alle bis zu den 80-er Jahrgängen. Als wir unseren Heimatort verließen, verloren wir alle unser Elternhaus, rechts standen felsenfest noch die Kirche und links die Schule, unser aller Schule. Nun soll aber auch die Schule wegbrechen, sie soll einem Krankenhauskomplex weichen. Es zeigt sich, dass Stadtnähe nicht immer von Vorteil ist, kaum in einer anderen Banater Gemeinde verschwindet deren Schule. Wir alle kennen einen Teil, einige Klassenzimmer oder Fachräume unserer gewesenen Schule, Franz Straub kennt nicht nur alle Räumlichkeiten, sondern auch die Geschichte und alle mannigfachen Veränderungen unserer jahrhundertealten Schule.

Herr Straub, Kirche predigt, aber Schule prägt, warum ist Schule wichtig?

Die Schulzeit ist einer der wichtigsten Abschnitte im Leben eines Menschen. In der Schule wird die Grundlage seiner späteren Kenntnisse und Fähigkeiten gelegt und zu gleicher Zeit werden wichtige Tugenden, die das Zusammenleben in der Gesellschaft sichern, herausgebildet und praktiziert; in der Schule werden wichtige Grundlagen der Persönlichkeit entwickelt. Mit der Schule verfolgt der Staat auch das Ziel, später für ihn notwendige und nützliche Bürger heranzuziehen. Es ist die Zeit, in welcher die Formbarkeit und Entwicklung des Menschen mit vielen Emotionen verbunden ist, in der sich auch die komplexesten Gefühle entfalten. All diese Faktoren bewirken, dass die Schulzeit mit all ihren Erlebnissen und Emotionen sich in uns einprägt und, je mehr wir uns zeitlich davon entfernen, Erinnerungen werden, die sich noch als scheeler Spiegel zeigen, in dem die dunklen Flecken schlechter Erinnerungen das Silber der Freuden schillern lassen, die der Seele das Gleichgewicht erhalten und sich als ständiger Kampf zwischen Verdrängen und unversiegbarer Quelle der Kraft des Überlebens erweisen.

Schule bedeutet Heimat, kaum jemand besucht seinen Heimatort, ohne bei der Schule vorbeizuschauen, man freut sich, wenn man von seiner Schulzeit spricht. Zur Geschichte unserer Schule wissen Sie bestimmt viel. Sie waren selbst Schüler und Sie waren Direktor dieser Schule. Können Sie kurz die Geschichte unserer Schule darlegen?

Die Geschichte unserer Schule bis zum Zweiten Weltkrieg ist ausführlich in unserem Heimatbuch nachzulesen. Deshalb möchte ich hier auf die Entwicklung in der Zeit nach 1945 eingehen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde im August 1945 der Unterricht in deutscher Sprache teilweise in privaten Häusern wieder aufgenommen. Anfangs konnten die Nonnen noch unterrichten, was aber durch das Schulgesetzes vom 3. August 1948, das auch für die natio-nalen Minderheiten Staatsschulen verordnete, verboten wurde, und die Ordensschwestern somit ihren Dienst quittieren mussten. Dabei machte sich eine wesentliche Schwierigkeit bemerkbar: der Lehrermangel. Die Ursachen, die dazu geführt hatten, waren Folgen des Krieges und verschiedener Maßnahmen in den ersten Nachkriegsjahren: Einige Lehrer waren gefallen, andere in Gefangenschaft oder in die Sowjetunion deportiert worden; wer in der deutschen Armee gedient hatte, taugte in der Vorstellung der neuen Machthaber nicht mehr als Pädagoge. Im Arader Raum kam an den deutschen Schulen und Kindergärten auf vier Stellen eine Lehrkraft.
Um in kurzer Zeit rund 200 Lehrkräfte für Arad und Umgebung auszubilden, war daran gedacht worden, deutsche Lehrer in Arad auszubilden. 1950 war es soweit. In den ersten Tagen des Monats August lag der schriftliche Bescheid des Unterrichtsministeriums vor, der die Eröffnung der ,,Deutschen Pädagogischen Lehranstalt“ Neu-Arad am 1. September 1950 bestätigte. Nun galt es, Aufbauarbeit zu leisten. In ungezählten Stunden freiwilliger Arbeit hatten unsere Schwaben – vor allem Handwerker – aus Neu-Arad und aus den umliegenden Ortschaften die notwendigen Reparaturen an den Gebäuden durchgeführt. Das Internatsgebäude (ehemaliges Amtsgericht) ist der Schule erst 1951 schriftlich übergeben worden. Der erste Schulleiter war Matthias Schiller.
Die Aufnahmeprüfung konnte ohne Schwierigkeiten durchgeführt werden, 40 Schüler wurden ,,aufgenommen“. Am 10. September 1950 war der erste Schultag. Im Sommer 1951 wurden wieder 40 Schüler aufgenommen, leider der zweite und auch letzte Jahrgang, der die Schule mit einem Lehrerdiplom abschloss. Die Schüler des darauffolgenden Jahrgangs (Aufnahmeprüfung Sommer 1952) hatten Pech: Obwohl bis in den dritten Jahrgang hinein nach den Lehrplänen der pädagogischen Schulen unterrichtet wurde – einschließlich Hospitationen und eigener Lehrproben – ist ihnen im Spätherbst 1954 (als sie bereits im 3. Jahrgang waren) mitgeteilt worden, dass sie beim Abschluss der Schule kein Lehrerdiplom, sondern ein Maturazeugnis erhalten werden. Die meisten dieser Absolventen wurden, da weiterhin Lehrermangel bestand, über Sonderprüfungen in den Schuldienst übernommen.
Ab 1955 fand ein nahtloser Übergang von der Deutschen Pädagogischen Lehranstalt zu einem theoretischen Lyzeum statt.
Dieses konnte seine Eigenständigkeit als rein deutsches Gymnasium bis 1960 erhalten. Von 1960 bis 1972 war es als deutsche Abteilung dem neugegründeten rumänischen Gymnasium in Neu-Arad angegliedert. Verantwortlich für die deutsche Abteilung war die ganze Zeit über ein/e deutsche/r Studiendirektor/in für den Unterricht in den Klassen I-IV, V-VIII und für den zweizügigen Unterricht in der Mittelstufe zuständig. Da das Einzugsgebiet der Oberstufe sich zeitweilig über 20 Ortschaften erstreckte und die Anreisebedingungen oft sehr schlecht waren, unterhielt die Schule weiterhin ein Internat, das meist von deutschen Schülern beansprucht wurde.
Im Jahre 1969 begann man mit dem Bau eines neuen Gymnasiums in Szigmundhausen, einem Vorort von Arad, das im Schuljahr 1972/73 seinen Betrieb aufnahm. Bedingt durch die Konzentration auf den Neubau und aus chronischem Mangel an finanziellen Mitteln hatte man die alten Gebäude in den letzten Jahren stark vernachlässigt.
Mit der allgemeinen Aufbruchstimmung für die deutsche Minderheit in Rumänien nach 1968 und nach der Gründung der Kreisräte der Werktätigen Deutscher Nationalität wurde die Errichtung rein deutscher Gymnasien möglich. Im Rahmen dieser neuen Möglichkeiten wurde unter ständigem Drängen seitens des Kreisrates unter dessen Vorsitzendem Franz Marx durch das Sekretariat des Kreisparteikomitees Arad im Frühjahr 1972 beschlossen, vom Schuljahr 1972/73 an im alten Lyzeumsgebäude wieder ein deutsches Lyzeum in Neu-Arad zu gründen.
Dieser Beschluss wurde erst publik durch die Veröffentlichung eines Berichtes über die Arbeitssitzung des Kreisrates der Werktätigen deutscher Nationalität in der „Neuen Banater Zeitung“ vom 30. Juli 1972. Darin wurde mitgeteilt, dass der Kreisrat Franz Straub als Direktor und Franz Pretz als stellvertretenden Direktor für das künftige deutsche Lyzeum vorgeschlagen hatte.
Ich war zu dieser Zeit mit meiner Familie am Schwarzen Meer in Urlaub und erfuhr über den Vorschlag erst aus der Presse. Vom Urlaub nach Hause gekommen, begannen für mich nach langen und reichlichen Überlegungen schwierige Tage des Verhandelns mit den Behörden über die weiteren nötigen Schritte zur Gewährleistung eines optimalen Unterrichts für unser neues Lyzeum. Diese erstreckten sich über die zusätzliche Versorgung mit entsprechend qualifizierten Lehrkräften, über das Verteilen der im rumänischen Lyzeum befindlichen Lehrmaterialien und über die notwendigen Mittel zur Renovierung der Schule. Der Unterricht sollte in fünf Gebäuden mit 29 Klassenräumen, zwei Laboratorien und einer Bibliothek aufgenommen werden. Für das Schuljahr 1972/73 waren die ungefähr 900 Schüler auf 28 Klassen verteilt.(der erste Zyklus mit acht Klassen, der zweite mit zwölf und die Oberstufe mit acht Klassen ).
Da in den letzten Jahren an den alten Schulgebäuden keine Reparaturen mehr vorgenommen worden waren, befanden sich diese in einem erbärmlichen Zustand. Die Dächer, viele Fenster und Türen waren undicht, Fußböden löcherig, Außenfassaden abgebröckelt und schäbig, fast kein Kachelofen funktionierte.
Da uns rasch und großzügig von Seiten der Behörden die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt wurden und viele Neu-Arader Eltern leitende Stellungen in Arader Bauunternehmen hatten, ist es uns sehr bald gelungen, die nötigen Arbeiten in die Wege zu leiten.
So konnten in freiwilliger Arbeit (diesmal im wahrsten Sinne des Wortes), die an Nachmittagen und an Wochenenden von bis zu dreißig Eltern und einzelnen Lehrkräften geleistet wurde, in relativ kurzer Zeit fast alle Dächer umgedeckt, die Außenfassaden aller Schulgebäude ausgebessert und getüncht, viele Klassenräume parkettiert und die Kachelöfen überholt, alle Klassenräume getüncht, ein dringend nötiger Turnsaal errichtet, und, worauf wir besonders stolz waren, im Keller unter dem Verwaltungsgebäude ein Freizeitklub eingerichtet werden, um den uns nicht nur die Rumänen, sondern auch deutsche Schüler anderer Schulen beneideten.
Um einen modernen Unterricht zu gewährleisten, wurde ein wesentlicher Teil des Unterrichts für die Klassen VIII-XII in Fachräumen erteilt, (Physik, Chemie, Biologie, Erdkunde, Sozialwissenschaften, Mathematik, Sprachen und Sport.).
In zähen Verhandlungen mit dem Schulinspektorat war es uns gelungen, fast in allen Fächern, neben den schon vorhandenen, gut qualifizierte Lehrer für die Schule zu gewinnen, so dass der Unterricht zur allgemeinen Zufriedenheit ablaufen konnte.
Ein besonderes Anliegen der Schule musste wieder sein, das Kulturleben in Neu-Arad neu zu beleben und durch eine schuleigene Kulturgruppe, die Schule wieder zum Zentrum der Entfaltung deutscher Kultur im Arader Kreis zu machen. Dazu gab es sehr günstige Voraussetzungen. Wir konnten neben dem vorhandenen gemischten Orchester, ein Quintett und ein zahlenmäßig starkes Blasorchester gründen, die sich besonderer Beliebtheit erfreuten und im weiten Umkreis von Arad bekannt wurden. Mit Orchester, Schulchor und Solisten stellten wir schon im Herbst 1972 ein abendfüllendes Programm mit klassischen Liedern, Volksliedern und Schlagern zusammen, das wir in mehreren Ortschaften präsentierten und auf diese Weise auch die Möglichkeit hatten, für unsere Schule zu werben und für die Schule nötige Gelder einzubringen. Am 25. Oktober 1972 wurde am Lyzeum eine Singgruppe gegründet, unter der Leitung von Franz Watz, an der sich Lehrer, Eltern unserer Schüler und Freunde der Schule beteiligten. Diese hatte ihren ersten Auftritt Mitte Dezember bei einer großen Feier zusammen mit unseren Schülern.
Die deutsche Vortragsreihe an der Arader Volksuniversität wurde am 15. Oktober 1972 wieder aufgenommen, für die bedeutende Persönlichkeiten des kulturellen Lebens gewonnen werden konnten.
Eines der wichtigsten kulturellen Ereignisse im Winter 1972/73 für unsere Schule war die Wiederaufnahme des traditionellen Schwabenballs, der in diesem Jahr besonders groß gefeiert wurde. Zusammen mit der Neu-Arader Kirchweihjugend und mit in Tracht gekleideten Eltern aus Neu-Arad und anderen Banater Ortschaften konnten 96 Trachtenpaare aufmarschieren und einen gelungenen Abend garantieren.
Um die schöpferische Tätigkeit unserer Schüler zu fördern, fanden regelmäßig Vorträge eigener literarischer Werke statt, und unsere Schüler beteiligten sich rege an den Veröffentlichungen von Schülerproduktionen in der „Neuen Banater Zeitung“ in Temeswar.
Unsere Arbeit erfreute sich nicht nur der allgemeinen Anerkennung von Seiten der Eltern und der deutschen Bevölkerung, sie wurde seitens der rumänischen Bevölkerung und seitens der politischen Machthaber oft mit Skepsis, Neid und bedrohender Haltung beobachtet. Besonders angekreidet hat man uns die Ausrüstung der Schule mit Unterrichtsmaterialien und Geräten aus der Bundesrepublik. Wir hatten uns auf diesem Wege ein Epidiaskop, ein Tonbandgerät, fünf Tageslichtschreiber, ein Stroboskop, zwei Plattenspieler, 120 mit deutscher Literatur besprochene Tonbänder, sehr viele Bücher und sogar ein kleines Planetarium besorgen können.
Die Freude und die Unbeschwertheit dauerte nicht lange. Erste Schwierigkeiten, die unsere Tätigkeit im Laufe der Zeit sehr einschränkten und in mancher Hinsicht unmöglich machten, stellten sich ein. Nach den Osterferien 1973 war der Studiendirektor von einem Besuch in der Bundesrepublik nicht mehr zurückgekehrt. Nun wurde ein in Arad wegen seiner nationalistischen Gesinnung und Skrupellosigkeit bekannter und verrufener Lehrer als Studiendirektor ans Gymnasium delegiert, der keinen Hehl daraus machte, dass er als Auftrag hatte, unsere Tätigkeit zu kontrollieren und, wo es ging, zu bremsen. Das ging so weit, dass er in einzelnen Klassen Schüler beauftragte, ihm über gewisse Lehrer und Tätigkeiten zu berichten.
Der Unterricht verlief auch unter diesen Bedingungen optimal. Weitere Schwierigkeiten stellten sich ein, als mit der Auswanderung unseres geschätzten Kollegen Peter Friedrich im Herbst 1973 der Unterricht Gefahr lief, an Qualität einzubüßen. Dazu kam noch zu Weihnachten 1973 der allzu frühe Tod der Biologielehrerin Helene Bod, und nicht lange danach der des Musiklehrers Sepp Wentz. Nun begannen die Schwierigkeiten, engagierte Kollegen an die Schule zu verpflichten, was uns anfangs bestens gelungen war.
Vom Schuljahr 1973/74 an wurde der politische Druck auf das Gymnasium immer stärker, und vor allem sah ich mich immer häufiger den Vorhaltungen und Schikanen des Schulinspektorats und der Partei ausgesetzt, was in einer großen Untersuchung meiner Tätigkeit gipfelte, die auf Grund einer sogenannten “anonymen Anzeige“ gegen mich inszeniert wurde. In der Anzeige waren Behauptungen aufgestellt, die, wäre es mir nicht gelungen, sie zu entkräften, für mich böse Folgen gehabt hätten. Dadurch war meine Tätigkeit in meinem Sinne sehr eingeschränkt, und es wurde mir klar, dass mein Bleiben am Gymnasium nicht mehr von langer Dauer sein konnte.
Mit Beginn des Schuljahres 1974/75 wurden die Zerwürfnisse mit dem Schulinspektorat wegen der Machenschaften bei der Einstellung einer neuen Lehrkraft immer stärker, was am 16.11.1974 zu meiner Demission und gleichzeitiger Entfernung von der Schule führte.
Für Jahre war die materielle Situation des Gymnasiums gesichert, so konnte sich mein Nachfolger mehr den schulischen Seiten widmen.
Da die Zahl der Internatschüler bis auf einige zurückgegangen war, wurde das Internat aufgelöst und der Arader Möbelfabrik als Materiallager zur Verfügung gestellt.
Die außerschulische Tätigkeit ging sehr bald zurück und beschränkte sich im allgemeinen auf von der Partei verordnete Unternehmungen. Bedingt war der allgemeine Rückgang auch durch die einsetzende Auswanderung vieler Schüler und Lehrer, was auch einen qualitativen Einbruch des Unterrichts bedeutete.
Fast gänzlich zusammengebrochen ist die schulische Tätigkeit nach der Revolution von 1989, wodurch auch eine allgemeine Disziplinlosigkeit im Unterricht einsetzte.
Nach 1989 wurde die Schule generalüberholt und modernisiert, woran das Land Nordrhein-Westfalen wesentlich beteiligt war.
Vom Schuljahr 1984/85 an wurden wieder rumänische Klassen eingerichtet, in denen heute intensiv Deutsch als Fremdsprache unterrichtet wird.
Laut einer Notiz in der Banater Post vom 5. Juni 1997 war das deutsche Lyzeum in Arad weiterhin die größte deutsche Schule im Arader Kreis. Es gab einen kompletten Klassenzug I-XII. Die Grundschule besuchten 151 Schüler, das Gymnasium 241 und 93 Schüler die Oberstufe in fünf Klassen. Darunter waren nur etliche Dutzend Deutsche. Um den Transport der Schüler aus den umliegenden Gemeinden ans Gymnasium zu sichern, besaß die Schule einen Bus, der die Schüler beförderte.
Welche weitere Entwicklung die Schule nehmen wird, ist nicht absehbar, zumal man nun versucht, die einzelnen Gebäude wegzunehmen. Was unter der Diktatur nicht geschah, soll nun den Machthabern der Demokratie gelingen!

Was bewog Sie, Herr Straub, die Direktorenstelle zu übernehmen, vom miserablen äußeren Zustand der Schule wissend?

Es war mir bewusst, dass diese Stelle keine leichte Aufgabe sein wird. Andererseits habe ich es auch als einen ehrenvollen Auftrag gesehen, unsere alte Schule zu erhalten und mit neuem Leben zu füllen. Ich habe den Posten erst übernommen, als man mir von Seiten der Behörden die nötigen finanziellen Mittel zusicherte, ein Versprechen, das sie auch einhielten, um die Renovierung durchzuführen und auch gewisse Zugeständnisse bei der Einstellung neuer Lehrkräfte einräumten.
Einen wichtigen Ausschlag haben auch die Gespräche mit einigen Neu-Arader Eltern gegeben, die ja zum großen Teil meine Freunde sind und die sich auch Sorgen um unsere Schule machten. Ich bin so zur Einsicht gekommen, dass ich mit deren Hilfe wohl die beste Lösung für die Schule finden konnte. Die Eltern haben auch ihr Wort gehalten und uns in bewundernswerter Weise beim Renovieren und auch später bei unseren weiteren Aktivitäten geholfen. Es waren sowohl unsere Neu-Arader Eltern als auch viele Eltern der Schüler von anderen umliegenden Gemeinden. Sie waren immer mit Rat und Tat zur Stelle.
Nicht zuletzt war ich überzeugt, dass durch die Neugründung des deutschen Lyzeums wir auch eine Möglichkeit bekämen, die Belebung unserer kulturellen Tätigkeiten zu ermöglichen und auf diese Weise zur Verbreitung und Erhaltung unserer Kultur, unserer Traditionen und nicht zuletzt unserer Muttersprache beizutragen. Diese Ziele sind uns in relativ kurzer Zeit in überzeugender Weise gelungen, was natürlich auch den Neid und den Hass der Obrigkeit nach sich zog.
All meine Tätigkeit und die einzelner Kollegen waren von einem gewissen Idealismus getragen, ohne den wir das nicht alles geschafft hätten. Die Gründung des Gymnasiums fiel auch in die Zeit eines allgemeinen euphorischen Aufbruchs für unsere deutsche Bevölkerung, was leider von kurzer Dauer war, aber dieses kurze Zeitfenster musste fruchtbringend ausgenutzt werden, was uns gut gelang. Unser Motto war: Das erledigen wir noch, auch wenn es vielleicht unsere letzte Tätigkeit ist. Das meine Tätigkeit von so kurzer Dauer sein wird, war mir nicht bewusst; das politische Klima hatte sich auch in sehr kurzer Zeit sehr zu Ungunsten der deutschen Bevölkerung verschlechtert, und man musste Gefahr laufen, sein Gesicht zu verlieren, wenn man nach deren Pfeife getanzt hätte. Die Zeit war kurz, oft anstrengend, hat aber insgesamt sehr viel Freude bereitet, Freude, die vor allem durch das Echo bei Eltern und Schüler bedingt war. Es war eine schöne Zeit.

Sie hatten eine glückliche Hand und führten ab der zweiten Klasse Englisch ein , was für unsere Kinder nach der Umsiedlung ein großer Vorteil war. Wie ist Ihnen das gelungen?

Von Goethe stammt die Aussage, dass man so oft Mensch sei, wie viele Sprachen man spricht. Dass ich Englisch ab der zweiten Klasse eingeführt habe, verdanken wir neben meiner Einsicht in die Notwendigkeit von Fremdsprachen auch einem günstigen Umstand: Vom Unterrichtsministerium wurde das Arader Inspektorat aufgefordert, probeweise ab der zweiten Klasse Englisch einzuführen, natürlich nur in rumänischen Schulen. Ich befand mich gerade beim Inspektorat, als der Verantwortliche sich beklagte, dass nur einige Schulen der Aufforderung nachgekommen waren. Nun sah ich meine Chance. Ich sagte dem Personalchef, dass wir auch an unserer Schule verbotener Weise Englisch unterrichten. Das war zwar gegen deren Absicht, das Inspektorat konnte aber auf diese Weise eine Schule mehr melden, und wir hatten unseren Englischunterricht. Dass unsere Schüler später daraus einen solchen Vorteil haben werden, war mir natürlich nicht bewusst. Der Unterricht hat den meisten Schülern Spaß gemacht.

Leider war Ihr Schulleiterdasein von kurzer Dauer, es lief für Sie zum Leidwesen unserer Schulkinder nicht lange nach Ihrer Vorstellung und nach Ihren Wünschen. Hegen Sie noch Frust?

Nein. Ich habe mir die Entwicklung meiner Tätigkeit zwar anders vorgestellt, aber man soll sich nicht mit Groll an die Vergangenheit erinnern. Auch hatte ich nach meinem Weggang von der Schule wieder mehr Zeit für mich und für meine Familie. Zu gleicher Zeit reifte bei mir die Überzeugung, dass ich keine Chancen mehr hatte, in Rumänien an einem deutschen Gymnasium zu unterrichten. In dem völlig neuen politischen Klima kam ich zur Einsicht, Schritte zu unternehmen, um auszureisen.

Herr Straub, nach Ihrer Umsiedlung haben Sie noch 23 Jahre in Ludwigshafen an einem altsprachlichen Gymnasium unterrichtet. Würden Sie für uns, gewesene Neu-Arader Schüler, kurz Ihren Werdegang und Ihre Tätigkeit in der Bundesrepublik darlegen?

Wir sind Ende Januar 1978 in die Bundesrepublik ausgereist. Am 1. Februar konnten wir unsere Kinder einschulen. Sie hatten keinerlei Schwierigkeiten und konnten allen Anforderungen des Unterrichts folgen. Meine Frau und ich hatten schon Ende Februar die Möglichkeit, am Carl Bosch Gymnasium einige Stunden Förderunterricht in Deutsch an Aussiedlern aus Polen und der Sowjetunion zu erteilen. Meine Frau wurde am selben Gymnasium mit einem halben Deputat bis zu ihrer Verrentung angestellt und ich hatte die Möglichkeit, vom Schuljahr 1978/79 am Theodor Heuss Gymnasium, mit einem halben Deputat anzufangen. Da ich noch eine Verbeamtung anstrebte, um weiterhin allen Kollegen hier gleichgestellt zu sein, begann ich vom Herbst an ein Studium der Geschichte (große Fakultas für Gymnasien) an der Mannheimer Universität. Das Studium verlief parallel zum Unterricht, nicht immer leicht, aber sehr interessant, und im Herbst 1981 bestand ich das Staatsexamen. Nun war die Grundlage für ein volles Deputat gegeben, und nach einer pädagogischen und fachlichen Überprüfung durch das Land Rheinland-Pfalz im Juli 1982 wurde ich im November 1982 zum Studienrat ernannt. Von dann an war ich mit den hiesigen Kollegen gleichgestellt und konnte mich mit aller Kraft dem Unterricht zuwenden. Ich habe auch hier mit viel Freude unterrichtet, einen ziemlich guten Draht zu den Schülern gehabt, so dass ich 1989 zum Oberstudienrat befördert und im Sommer 2001 in den Ruhestand versetzt wurde.

Könnten Sie uns wesentliche Unterschiede zwischen dem Unterricht in Rumänien und in der Bundesrepublik erläutern?

Aufgrund meiner Erfahrungen beim Unterrichten in Rumänien und hier ist es schwer, wesentliche Unterschiede zwischen dem Unterricht dort und hier zu erläutern. Unsere Schule in Neu-Arad war keine typische Schule für die Verhältnisse in Rumänien und das Gymnasium, an dem ich hier unterrichtete, wahrscheinlich nicht typisch für die schulischen Verhältnisse hier.
Im allgemeinen kann man sagen, dass der Unterricht in Rumänien mehr auf den Erwerb von Kenntnissen ausgerichtet war, weniger auf die Fähigkeit selbständigen Denkens. Die persönliche Meinung war dort weniger gefragt als hier, vielleicht auch, weil man Angst hatte, dass die Menschen nicht im Sinne der politischen Führung gedacht hätten. Man kann aber das Denken der Menschen nicht unterdrücken, so dass unsere Schüler auf Grund ihrer reichen Kenntnisse auch Fähigkeiten und Fertigkeiten entfalten konnten, die sie zur Bewältigung ihres Lebens einsetzen konnten. Das zeigte sich auch darin, dass sich unsere Kinder hier in der Schule und im Beruf hervorragend durchsetzten.
Ein weiterer Unterschied bestand darin, dass bei uns in Rumänien mehr Wert auf Erziehung gelegt wurde. Neben der Familie und dem nahen sozialen Umfeld war die Schule ein wesentlicher Ort, in dem Erziehung stattfand. Darauf wird hier weniger Wert gelegt, da man vielleicht auch weniger Einfluss auf die persönliche Entwicklung nehmen will.

Zum Schluss hätten wir gerne eine Einschätzung unserer Neu-Arader Schule im Vergleich zu hiesigen. Wahrscheinlich kennen und wissen Sie, Herr Straub, um den Werdegang gewesener Neu-Arader Schüler, die es wirklich geschafft haben.

Viele Absolventen des Neu-Arader Gymnasiums haben ihr Leben bewundernswert gemeistert. Viele unserer Schüler haben nach der Reifeprüfung die Hochschule besucht und mit bestem Erfolg beendet. Sowohl vor meiner Zeit als auch aus meiner Zeit sind uns von Absolvententreffen her viele in Erinnerung, die hier in der Bundesrepublik als Ärzte, Ingeneure, Techniker, Lehrer und in künstlerischen Bereichen tätig sind und hervorragende Stellen einnehmen.
Wir mussten uns mit unserer Schule in Rumänien nicht schämen!

Wir danken Ihnen, Herr Straub, für dieses Gespräch und für alles, was Sie für unsere Neu-Arader Schule getan haben. Genießen Sie und Ihre Frau den wohlverdienten Ruhestand!


Das Gespräch mit Franz Straub führte Franz Weininger,
Mai 2009

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