Der feuchte Soldatenmantel, oder wenn der Vetter Michl erzählte

Wenn die wichtigsten Neuigkeiten der Woche und des Tages abgehandelt, kritisch durchleuchtet und kommentiert waren, keiner mehr etwas Nennenswertes zu berichten wußte, die Sonntagsnachmittagsrunde somit langweilig zu werden drohte, rettete oft der Vetter Michl die Situation, indem er anfing etwas zu erzählen.
Er tat dies nicht besonders leidenschaftlich, schon gar nicht lautstark, schon eher besonnen und moderat. Er konnte geschickt Pausen einlegen und gekonnt das Tempo beschleunigen oder drosseln. Er konnte seine Geschichten auch ein bißchen ausschmücken, wenn es ihnen an natürlicher Farbe mangelte. Es gelang ihm jedoch immer die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu wecken. Der Vetter Michl war ein recht einfacher und unkomplizierter Neuarader Bauer, der ebensogut geduldig und aufmerksam zuhören und beobachten konnte. Diese Eigenschaft ermöglichten ihm die Menschen und Ereignisse zu beschreiben, einzustufen und zu durchschauen dies alles mehr oder weniger objektiv, je nach Ernst oder Heiterkeit des Ereignisses, über das er gerade berichtete. Er verstand es aber auch ausgezeichnet mit spitzer Zunge zu berichten, wenn es sich um Leute handelte, die mit der Wahrheit sehr großzügig umgingen, die Schönfärberei trieben, oder gar aufschnitten, oder wenn sie, was er nun garnicht mochte, ihn oder andere für dumm verkaufen wollten. Wenn die wichtigsten Neuigkeiten der Woche und des Tages abgehandelt, kritisch durchleuchtet und kommentiert waren, keiner mehr etwas Nennenswertes zu berichten wußte, die Sonntagsnachmittagsrunde somit langweilig zu werden drohte, rettete oft der Vetter Michl die Situation, indem er anfing etwas zu erzählen.
Er tat dies nicht besonders leidenschaftlich, schon gar nicht lautstark, schon eher besonnen und moderat. Er konnte geschickt Pausen einlegen und gekonnt das Tempo beschleunigen oder drosseln. Er konnte seine Geschichten auch ein bißchen ausschmücken, wenn es ihnen an natürlicher Farbe mangelte. Es gelang ihm jedoch immer die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu wecken. Der Vetter Michl war ein recht einfacher und unkomplizierter Neuarader Bauer, der ebensogut geduldig und aufmerksam zuhören und beobachten konnte. Diese Eigenschaft ermöglichten ihm die Menschen und Ereignisse zu beschreiben, einzustufen und zu durchschauen dies alles mehr oder weniger objektiv, je nach Ernst oder Heiterkeit des Ereignisses, über das er gerade berichtete. Er verstand es aber auch ausgezeichnet mit spitzer Zunge zu berichten, wenn es sich um Leute handelte, die mit der Wahrheit sehr großzügig umgingen, die Schönfärberei trieben, oder gar aufschnitten, oder wenn sie, was er nun garnicht mochte, ihn oder andere für dumm verkaufen wollten.
Im Januar 1945 wurden in Neu-Arad, wie überall im Banat, so manche Ehe zwischen einem deutschen Mädchen und einem Bürger der Staatsnation geschlossen, um mit Hilfe der Herkunft und des Namens des Mannes die Frau vor Verschleppung in die Zwangsarbeit in die Sowjetunion zu bewahren. Andere wiederum taten dies aus Opportunismus oder anderen, nicht leicht zu durchschauenden Beweggründen. Dies alles verfolgte man mit Besorgnis, Mißtrauen und Unbehagen, weil solche Ehen bis zu diesem Zeitpunkt etwas sehr, sehr Seltenes waren. Man fand sich aber damit ab, denn erstens konnte man ja doch nichts ändern, und zweitens hatte man in diesen Zeiten mit sich selbst der Sorgen und Nöte mehr als genug. Durch solch eine Ehe kam auch der Dinu Petroianu in die Nachbarschaft des Vetter Michl. Der Dinu war Offizier der rumänischen Armee, sah in seiner Uniform recht schmuck aus und war als Mensch und Mann auch nicht gerade schief gewachsen. Nun war er halt da, und langsam aber sicher gewöhnte man sich an seine Anwesenheit. Wahrscheinlich hätte ihn auch der Vetter Michl nicht mher besonders beachtet und keinerlei Überlegungen den Dinu betreffend angestellt, hätte seine neu erworbene Familie nicht immer wieder, und vor allem ohne danach gefragt zu werden, durchblicken lassen, daß Dinu aus bester Familie stamme und zuhause über ein nicht zu unterschätzendes Vermögen verfüge. Er werde auch in absehbarer Zeit nach Hause fahren, das Vermögen versilbern und in Form von Barem hierher bringen.
Niemand, schon gar nicht der Vetter Michl, hatte auch nur eine vage Vorstellung wo dieses sein Zuhause war. Obzwar Rumänien schon ein Vieteljahrhundert das Vaterland der Banater geworden war, wußten nur die Allerwenigsten aus eigener Erfahrung, was sich jenseits der Karpaten tat und wie es dort aussah. Die Wenigen, die dort ihren Militärdienst leisten mußten, oder ein ungnädiges Schicksal dorthin verschlagen hatte, wußten nicht viel und schon gar nichts Besonderes zu erzählen. Es sie ein armes Land, es gäbe dort viel mehr Hunde als Schweine, und vermutlich dort habe der Kaiser sein Recht verloren. Ja, einer meinte sogar, daß der Liebe Gott trotz seiner unendlichen Weisheit, dieses Land irgendwie übersehen und folgedessen auch vergessen haben mußte.
Der Dinu, der inzwischen seinen Offiziersdienst quittiert hatte, trug noch immer seine Uniform. Allerdings ganz schmucklos, einfach die Grundfarbe „Khakhi“. Als er aber nach einer längeren Abwesenheit immer noch den Eindruck hinterließ, als sei er alles andere als ein wohlhabender, oder gar reicher Mann, seine Familie auch immer kleinlauter wurde und nichts mehr von dem Vermögen sagte, dessentwegen er ja nach Hause gefahren war und nunmehr flüssig gemacht, und vor allem ja mitgebracht haben mußte, da setzte die Fantasie des Vetter Michl ein, und seine natürliche Begabung kam voll zur Geltung. Ironisch, wie er auch sein konnte, erfand er nun folgende Geschichte, die er so überzeugend an den Mann brachte, daß so mancher Freund und Nachbar, der den Vetter Michl als verschmitzten Schalk und Possenreißer kannte, nicht mehr so recht unterscheiden konnte, wo die Realität aufhörte und die Ironie begann. Ja manchmal wußte unser Vetter Michl selbst nicht mehr so ganz genau, ob es nicht der Wahrheit entsprach, was er so von sich gab. Zumal der Vetter Michl mit keiner Mine verriet, daß er die ganze Tragigkomödie erfunden hatte. Er hatte offensichtlich auch kein schlechtes Gewissen dabei, denn die andere Seite erzählte ja auch ein Märchen, nur mit wesentlich unlautereren Absichten, und es war mit Abstand unmoralischer als das des Vetter Michl.
Man weiß nicht mehr wieso und weshalb, aber plötzlich war der Dinu im Gespräch. Unser Vetter Michl sptitzte die Ohren, wartete auf einen günstigen Augenblick, schaltete sich wie von ungefähr in das Gespräch ein und erzählte.
Der Dinu fuhr also nach Hause, verkaufte kurzerhand Hab und Gut, packte den Erlös in einen großen Koffer und fuhr los in Richtung neue Heimat, das Banat. Auf seinem langen Weg mußte er auch über ein großes Wasser, welches er mit einem Schinackl überqueren mußte, weil das letzte Hochwasser die Brücke weggerissen hatte. Kaum, daß man an der tiefsten Stelle des reißenden Flusses angelangt war, kenterte der Schinackl, und der Dinu und der Koffer fielen in das tiefe Wasser. Mit dem Koffer vesank das viele schöne Geld, das ganze Vermögen, auf Nimmerwiedersehen in den wilden Fluten. Alles war weg.
An dieser Stelle machte der Vetter Michl eine Pause, zog bedächtig und genüßlich an seiner selbstgedrehten Zigarette, kniff die listigen Augen noch ein bißchen mehr zusammen und fuhr mit gedämpfter, ja nahezu feierlich wehmütiger Stimme fort. ——– Ein Glück, daß wenigsten er davongekommen ist. Als der Vetter Michl hier am Ende seiner Geschichte in die teils verdutzten, teils ungläubig dreinblickenden, bis verschmitzt lächelnden Gesichter seiner Zuhörer sah, zog er nach einigem Zögern die Augenbrauen hoch, hob zum erstenmal den Ton an und sagte beinahe beschwörend:

Tes is woah! Tes kenndeme klaawe! Wie ea to ohkumme is, woa sei Soldademandl zukoa noch e pissl feicht.

Josef M. Tuch, Homburg/Saar

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